Rottenburg – 1. Februar 2018 - Das Sozialgericht Freiburg ist in einem Urteil zu der Auffassung gekommen, dass die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung Familien in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Daher hat es diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Das Freiburger Gericht folgt damit der Argumentation des Familienbundes der Katholiken (FDK) und des Deutschen Familienverbandes (DFV), die sich gemeinsam seit vielen Jahren für familiengerechte Beiträge in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung einsetzen – aktuell im Rahmen der Kampagne elternklagen.de
„Wir sind froh darüber, dass die Benachteiligung von Familien in der Sozialversicherung nun richterlich bestätigt wurde, betont Beate Gröne. Die Geschäftsführerin des Familienbundes in der Diözese Rottenburg-Stuttgart betont, dass man die Überzeugung des Freiburger Sozialgericht teile, dass der Gesetzgeber das Pflegeurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 3. April 2001 nicht verfassungskonform umgesetzt hat.
Die Karlsruher Richter hatten damals entschieden, dass es dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes widerspricht, wenn der Gesetzgeber bei der Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge nicht berücksichtigt, dass Eltern einen doppelten Beitrag für die Sozialversicherung erbringen. Neben den Geldbeiträgen stelle die zeit- und kostenaufwändige Erziehung von Kindern einen ebenso wichtigen Beitrag für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung dar. Denn diese Versicherungszweige seien als umlagefinanzierte System auf gut ausgebildete neue Beitragszahler existenziell angewiesen. Um Eltern nicht übermäßig mit Beiträgen zu belasten, müssten diese bei den Geldbeiträgen entlastet werden.
„Der vom Gesetzgeber im Jahr 2005 in der Pflegeversicherung eingeführte minimale Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten für Kinderlose wird der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts und der Verfassung nicht gerecht“, bekräftigt Karlheinz Heiss, Vorsitzender des Vorstandes des Familienbundes in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Denn zum einen werden alle Eltern gleich behandelt, obwohl Familien mit vielen Kindern einen deutlich höheren generativen Beitrag erbringen als Familien mit nur einem Kind. Zum anderen zahlen auch Eltern mit erwachsenen Kindern einen niedrigeren Pflegeversicherungsbeitrag, obwohl sie aktuell keinen Zeit- und Kostenaufwand mehr für ihre Kinder haben und daher – in ökonomischer Hinsicht – kinderlos sind.
Hinzu kommt: Bei den Beitragserhöhungen seit 2005 hat der Gesetzgeber nicht mehr danach differenziert, ob Kinder betreut und erzogen werden. Selbst den Pflegevorsorgefonds, in dem derzeit Geld angespart wird, um dem Problem zukünftig fehlender Beitragszahler entgegenzuwirken, finanzieren Eltern und Kinderlose gleichermaßen obwohl Eltern für das demografische Problem gar nicht verantwortlich sind. „Der Gesetzgeber hat also bisher keine Beitragsgerechtigkeit hergestellt, sondern weitere verfassungswidrige Gleichheitsverstöße begangen“, betont Karlheinz Heiss.
„Nach der Vorlage durch das Sozialgericht Freiburg hat jetzt das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit, in konsequenter Fortführung seiner Entscheidung von 2001 endlich Gerechtigkeit für Familien in der Sozialversicherung herzustellen“, machen Gröne und Heiss deutlich. Beide betonen die Bedeutung der Frage für die Familien: „Die vom Familienbund geforderte Einführung von Kinderfreibeträgen in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung würde Familien derzeit um 227 Euro pro Monat und Kind entlasten.“