Maßnahmen zur Vorbeugung von Suiziden müssen ausreichend finanziert werden: Dazu mahnen Fachleute angesichts der laufenden Haushaltsverhandlungen für 2024. Die bislang angedachten 800.000 Euro reichten nicht aus, kritisierte der Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSpro), Reinhard Lindner, am Dienstag in Kassel. Es gelte, bestehende Angebote zu sichern und miteinander zu vernetzen sowie Expertinnen und Experten einzubeziehen.
Dafür brauche es eine zentrale Informations- und Koordinationsstelle, sagte NaSpro-Leiterin Barbara Schneider. Sie müsse Menschen mit Suizidgedanken ebenso in den Blick nehmen wie Angehörige von Betroffenen und Hinterbliebene - aber auch Personen aus ganz anderen Berufsgruppen: "Jeder sollte Grundfertigkeiten im Umgang mit Suizidalität haben." Apotheker, Frisörinnen oder Wirte, die viel mit Menschen in Kontakt seien, könnten mit entsprechenden Kompetenzen zur Vorbeugung beitragen.
Die bestehenden Angebote stießen an die Grenze ihrer Kapazitäten, sagte Stefan Schumacher von der Telefonseelsorge Hagen. Bundesweit gebe es bei der Telefonseelsorge täglich 300 Kontakte rund um das Thema Selbsttötung; im Jahr 2022 entsprach dies etwa 8 Prozent der Telefonate, fast 40 Prozent der E-Mails und 27 Prozent der Chats.
Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Ellen Lundershausen, forderte niederschwellige Angebote für lebensmüde Menschen: "Alles hängt an persönlicher Kommunikation." Flächendeckende Versorgung gebe es bislang nur im Bereich der Psychiatrie, sagte der Sprecher der Deutschen Akademie für Suizidprävention, Georg Fiedler. Große Gruppen von Gefährdeten würden davon jedoch nicht erreicht: beispielsweise Menschen in Lebenskrisen, die keine psychiatrische Diagnose hätten, aber auch diejenigen, die keinesfalls einen Psychiater aufsuchen wollten.
Die Fachleute äußerten sich zum Welttag der Suizidprävention am kommenden Sonntag. Bundesweit gibt es jährlich rund 10.000 Suizide, dreimal so viele wie Verkehrstote. (KNA)