Pläne zur Unterstützung suchtbetroffener Familien sind nach Worten der SPD-Familienpolitikerin Ulrike Bahr "unzureichend umgesetzt" worden. Ein Grund dafür sei die Corona-Pandemie, sagte sie am Freitag bei der Auftaktveranstaltung zur bundesweiten Aktionswoche für Kinder aus suchtbelasteten Familien (COAs).
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Linda Heitmann, kündigte an, dass ab 1. April die Förderung von Projekten starte, die zur Entstigmatisierung von Sucht beitragen sollten. Dabei würden auch Angehörige von Betroffenen in den Blick genommen. Viele Menschen reagierten überrascht, wenn sie hörten, dass die meisten Suchtkranken nicht etwa von Cannabis oder Heroin, sondern von Alkohol abhängig seien. "Damit müssen wir uns mehr befassen."
Schätzungen zufolge wachsen 2,6 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland mit einem suchtkranken Elternteil auf. Die Aktionswoche, soll auf das Schicksal dieser "Children of Alcoholics/Addicts" (Kinder von Alkoholikern/Abhängigen), kurz CoAs, aufmerksam machen und Hilfsangebote aufzeigen. Dahinter steht die Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien (Englisch: Affiliate Member of the National Association for CoA, kurz: NACoA).
Bahr erneuerte die Forderung nach einer bundesweiten Aufklärungskampagne. Sie solle etwa Beratungsangebote für Betroffene umfassen, aber auch die Gesamtbevölkerung informieren sowie alle Gruppen, die mit Betroffenen in Kontakt kämen - also Mediziner, Psychologen und auch Fachkräfte im Bildungsbereich. Bahr strebt nach eigenen Worten interministerielle Beratungen an, um diese Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag anzugehen.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, beklagte, es sei selten möglich, offen und ehrlich über das Thema zu sprechen: "Häufig gelten Betroffene als schwach oder irgendwie 'selbst Schuld'." Sucht müsse jedoch als Krankheit behandelt und betrachtet werden, "nicht als persönlicher Fehler".
Der Stigmatisierungsforscher Sven Speerforck erklärte, das Suchtstigma gehöre zu den am stärksten ausgeprägten: Dazu wünschten Menschen sich zumeist einen möglichst großen Abstand. Sprachlosigkeit führe jedoch dazu, dass sich Vorurteile und Tabuisierung noch verstärkten. "Die Menschen bleiben mit der Bewältigung eines massiven Gesundheitsproblems alleine", kritisierte der Experte von der Leipziger Uniklinik. (KNA)