Johannes-Wilhelm Rörig (62), bislang Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung, hat am Montag offiziell sein Amt niedergelegt. Das Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sei weiterhin riesengroß und zu viele Menschen schauten bei einem Verdacht noch immer weg, betonte Rörig in einer Erklärung. Er warb erneut für einen "bundesweit wirkenden Pakt gegen sexuellen Kindesmissbrauch". Rörig hatte das 2010 geschaffene Amt seit rund elf Jahren als Nachfolger der früheren Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) inne. Bis zur Berufung einer Nachfolge wird nach Angaben des Büros die langjährige Leiterin des Arbeitsstabes des Unabhängigen Beauftragten, Manuela Stötzel, das Amt kommissarisch übernehmen. Rörig wird demnach ab dem 1. März neue Aufgaben im Bundesfamilienministerium, in dem das Amt angesiedelt ist, wahrnehmen.
Rörig betonte, der aktuelle Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung stimme ihn optimistisch. Die Ampel-Koalition habe sich entschlossen, sein Amt gesetzlich zu verankern und eine regelmäßige Berichtspflicht an den Bundestag einzuführen. Zudem werde die von ihm eingesetzte Unabhängige Aufarbeitungskommission weitergeführt, "hoffentlich auf einem starken gesetzlichen Fundament". Für eine solche Stärkung hatte sich Rörig zuletzt in einem vor rund zwei Wochen veröffentlichten Positionspapier eingesetzt.
Der Jurist Rörig war lange Jahre Bergmanns Büroleiter. Während seiner Amtszeit als Beauftragter wurden viele Gesetze zur Strafbarkeit von Missbrauch verschärft. Mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz handelte er vor zwei Jahren eine Gemeinsame Erklärung aus, in der sich die 27 Bistümer zu einer unabhängigen Aufarbeitung verpflichten.
Immer wieder äußerte sich Rörig auch zu aktuellen Debatten. So kritisierte er den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wegen dessen Umgang mit einem Aufarbeitungsgutachten und pochte auf Transparenz und Betroffenenbeteiligung. Nach der Veröffentlichung des Gutachtens über den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising im vergangenen Januar sagte er, ihn verstöre der Pragmatismus, mit dem "sexueller Missbrauch wegverwaltet worden ist". Bei der Aufarbeitung gebe es eine "beschämende Halbherzigkeit". (KNA)